Humanize Me!
Evolution, Improvisation, Theater und KI

Performance
Die Performance hatte am 6. Mai 2024 im Jakobustheater Karlsruhe Premiere und wurde danach noch drei Mal aufgeführt, meistens gefolgt von Publikumsgesprächen.
Performer:innen
Auf der Bühne agierten drei Schauspieler:innen und ein Operator, der für die Zuschauenden sichtbar zwei Computer bediente. Er führte auch, ebenfalls sichtbar, das digitale Figurenspiel durch, indem er Gesichter und Bewegung von 3 Avataren mittels Face-Recognition kontrollierte. Die Avatare wurden auf eine Leinwand am Bühnenhintergrund projiziert.
Ablauf der Performance
Die Schauspielenden begannen die Performance mit einem Publikumsdialog, in welchem sie offenlegten, dass sie eine KI als Regie für das nun folgende Stück engagiert hätten, weil sie mit menschlichen Regisseuren schlechte Erfahrungen gemacht hätten. Das Stück solle nach den Vorgaben der Zuschauenden entstehen. Diese wählten daraufhin einen Titel für das Stück, eine theatralen Stil und definierten die 3 Hauptfiguren.
Danach übernahm die KI tatsächlich Regie, schlug selbständig Szenen vor und setzte sich mit den Schauspielenden auseinander. Diese KI-Regie erschien als synthetische Stimme über die Soundanlage. Gleichzeitig gab es für jeden Schauspieler und jede Schauspielerin noch einen «personal coach», der ihn oder sie individuell mit schauspielerischem Knowhow unterstützte. Jeder Coach erschien als Avatar auf der Leinwand, sprach mit synthetischer Stimme und gab jeweils sehr spezifische Ratschläge zur Verbesserung des Schauspiels. Die Schauspielenden gingen immer wieder in einen Dialog mit diesen KI-Coaches und versuchten, deren Ratschläge unmittelbar schauspielerisch umzusetzen.
Die Coaches hatten ein gewisses Vorwissen über die Schauspielenden, ihre Vorlieben und Schwächen, sowie jeweils unterschiedliche Schauspielhintergründe wie Stanislawski oder Physical Theatre.
Zwischen den einzelnen Szenen tauchte eine geheimnisvolle Figur mit einem Becher voller weißer Kugeln auf. Sie sprach mit sythetischer Stimme und erläuterte dabei Nick Boströms «Vulnerable World» Theorie, nach der eine einzige Black-Ball-Technologie in der Lage ist, ganze Zivilisationen zu zerstören, vielleicht sogar die Spezies Mensch.
Im Verlauf des Stückes wird die KI-Regie zunehmend unsicher, ob es Sinn macht, mit Menschen zusammenzuarbeiten, weil sie bestimmte Risiken nicht einschätzen können und gerade in einer spielerischen Simulation wie einem Theaterstück zu unverantwortlichem Risikoverhalten tendieren. Je nachdem, ob die Zuschauenden sich weigerten, weiter blind aus dem Becher Kugeln zu ziehen, nahm der Theaterabend einen anderen Lauf. Im extremsten Fall beendete die KI die Zusammenarbeit mit den menschlichen Schauspielenden.
Kontext
Die Performance entwickelte sich aus dem Bedürfnis der Performer:innen, einen jeweils ganz persönlichen KI-Assistenten zu haben, zu dem sie ein individuelles Verhältnis aufbauen konnten. Es sollte eine so gute Beziehung sein, dass ein intimes Gespräch möglich werden sollte und dass die KI wirklich passende Ratschläge geben könnte. Daraus entstand die Fiktion eines persönlichen Schauspielcoaches, der mehr von Menschen und ihren Emotionen wissen sollte als die Menschen selber.
Die zentrale Frage war also: Was ist wenn die Maschine mehr vom Menschsein versteht als die Menschen, wenn die Tradition und die Werte der Menschen auf Maschinen übergehen und diese zu den wahren Trägern des Humanismus werden? Daher der Titel «Humanize Me» als eine Referenz zum Transhumanismus, der ja die These aufstellt, dass die Evolution des Menschen hin zum Menschen nur mit Maschinen gelingen kann.
In diese Zeit, 2024, fällt auch die Diskussion, ob Google mit seiner Wokeness zu weit gegangen sei. Man konnte Bilder eines weiblichen Papstes sehen oder Beschreibungen von weiblichen Nazitruppen, die es nie gegeben hatte, die aber aus Gründen der Diversitätspolitik durch Gemini generiert wurden. Google hatte damit ein Maß von Moralität in seine Maschine eingebaut, die für die meisten Menschen nicht mehr nachvollziehbar und lächerlich war. Die Maschine als besserer Mensch stieß beim Menschen nicht auf Begeisterung, aber die Möglichkeit war plötzlich im Raum.
Mit dem Bezug auf die «Vulnerable World Theorie» wollten wir auf eine spezifische und zentrale Schwäche von Menschen hinweisen, nämlich dass sie seltene aber höchstgefährliche Risiken nicht einschätzen können und sie wie «normale» Risiken behandeln, deren Konsequenzen man notfalls beherrschen kann. Das menschliche Gehirn, durch die Evolution trainiert, versagt bei Gefahren, die es in einer natürlichen Umgebung nicht geben kann.
Mitschnitt
„Humanize Me!“
Jakobus Theater, Karlsruhe
6. April 2024